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Fernwanderung "Alpenüberquerung"

Updated: Oct 21, 2022

Etappe 1: Rottach-Egern am Tegernsee bis zur Blaubergalm

Der erste Tag. Die erste Etappe. 7 Tage liegen vor uns. 7 Tage wandern, laufen, draussen sein. Bei jedem Wetter. Ich freue mich. Wir starten bei bestem Wetter an einem Montag. Was kann es besseres geben als den Büroalltag für eine Woche gegen Wanderschuhe zu tauschen. Los geht es am Münchner Hauptbahnhof. Der 10 Kilo-Rucksack mit allem Nötigen wird der wichtigste Begleiter für die nächste Woche sein.

Nach der Anfahrt mit der Bahn bis Tegernsee und mit dem Bus bis nach Rottach-Egern sind wir schon am Einstieg in unsere Wanderung. Wir laufen an der Weißach entlang im Tal bis nach Kreuth und machen uns noch am selben Tag auf zur Blaubergalm, die kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze liegt.

Der Aufstieg ist anstrengend, doch oben angekommen finden wir ein Schild. "Schildenstein Gipfel, 15 minuten". Wir schauen uns an. "Das schaffen wir jetzt auch noch!". Die Motivation ist da und in nicht einmal 15 Minuten stehen wir am Gipfel des Schildensteins und genießen die Aussicht auf den Guffert und die umliegenden Blauberge.

Der Abstecher hat sich gelohnt. Nun aber weiter zum heutigen Etappenziel.

Schon beim Aufstieg treffen wir eine Frau, die uns freudestrahlend von der "Murmeltierwiese" direkt an der Alm erzählt. Das lässt die Beine nochmal schneller werden. Oben angekommen werden wir nochmal überrascht. Die Murmeltiere sehen wir direkt, aber auf der Alm gibt es außerdem noch Hühner, Kälbchen, Schweine. Wir sind so damit beschäftigt alle Tiere zu begrüßen, dass wir doch fast vergessen uns in der Hütte anzumelden. Wir wollten ja über Nacht hier oben bleiben.

Das Schlaflager wird uns gezeigt. Ganz urig in einem Schuppen, nur mit einem Waschtrog. Wasser bitte sparen heißt es. Der Sommer war lang und trocken, die Wasserspeicher sind leer auf der Alm. Wir waschen uns nur kurz und freuen uns schon auf das Abendessen.

Der Abend rundet den Tag ab - mit lieben Leuten, die teilweise dieselbe Tour gehen wollen wie wir und alle genauso aufgeregt sind. Wir quatschen bis alle müde sind. Einige von ihnen werden wir in späteren Etappen wieder sehen.


Etappe 2: Blaubergalm bis zum Achensee

Tag Nummer zwei. Die Nacht war erholsam und die Glieder sind noch schwer von Vortag. Ich bin früh wach und beobachte noch ein paar Gemsen die in der Nähe der Hütte den Morgen genießen. Ich genieße die Ruhe bevor der Rest der Truppe aufwacht.

Wir bekommen exzellentes Frühstück. Brot mit Graukäse, Tee, Marmelade. Alles selbstgesammelt und selbstgemacht von den Hüttenwirten. Ein absoluter Traum. Wir warten den Regenschauer ab und laufen los. Schnell sind wir abgestiegen nach Achenwald. Die Strecke durch Achenkirch bis zum Achensee zieht sich. Die Motivation ist da, aber die Blasen und Schmerzen an den Füßen auch. Die Schuhe drücken, der Rucksack ist schwer - war das gestern alles auch schon so niederschmetternd? Wir schleppen uns auf Teerstraßen durch den Ort. Ein Almdudler aus dem Spar soll die Leichtigkeit zurückbringen. Es gelingt ein wenig.

Wir stiefeln bis zum Achensee und nachdem sich mittlerweile die Sonne wieder gezeigt hat, wird der Rest des Tages am und im See verbracht. Die gute Laune ist zurück.

Wir springen mehrmals ins kalte Wasser bevor wir zurück nach Achenkirch in unsere Unterkunft ziehen. Der Empfang ist herzlich und die erste Frage ist schnell gestellt "Wo gibt es hier Abendessen?". Der empfohlene Italiener klingt super und uns wird direkt ein Tisch bestellt - für die hungrigen Wanderer.

Die Pizza sieht lecker aus - aber mein Magen rebelliert. Ich muss meine Freundin sitzen lassen und gehe zurück ins Pensions-Zimmer. Ist das das Ende? Was habe ich getrunken/gegessen? Magen-Darm-Infekt? Ich hoffe nicht!

Die Nacht ist ungewiss. Ich versuche mich abzulenken, ausser Übelkeit geht es mir eigentlich gut. Nur die Nerven? Die Angst vor den nächsten Etappen?

Meine Freundin hat Gott sei Dank Lavendelöl dabei, das meine Nerven beruhigt, und organisiert Tee für mich.


Etappe 3: Achensee bis zur Erfurter Hütte

Ich schlafe ganz gut und am nächsten Tag geht es dem Magen wieder besser. Der Lavendelduft liegt noch im Raum und hat mich wohl beruhigt. Ich frühstücke vorsichtig und wir laufen wieder los. Einmal den Achensee umrunden bis nach Maurach und hoch zur Erfurter Hütte. Das ist der Plan. Schaffen wir das? Über 1000 Höhenmeter müssen wir heute schaffen, der Hauptaufstieg am Schluss. Wir halten uns die Option offen die Seilbahn zu nehmen oder abends vom Achensee nach Hause zu fahren. Das nimmt den Druck.

Ich wechsle meine Schuhe. Die Wanderschuhe haben mir links an der Ferse und rechts am kleinen Zeh große Blasen zugefügt. Gott sei Dank habe ich noch leichte Barfussschuhe dabei. Die sind eigentlich nicht zum Wandern gedacht. Als Notlösung sind sie heute trotzdem besser als die Übeltäter.

Wir umrunden den See und quatschen die ganze Zeit über Gott und die Welt. Ohne es richtig zu merken treten wir den Aufstieg zur Hütte an. 90% des Aufstiegs vergeht wie im Flug. Es ist anstrengend und wir schnaufen aber es macht Spaß. Die letzten 10% sind hart (vielleicht auch mangels richtiger Bergschuhe :)) aber die Murmeltiere kurz unterhalb des Gipfels geben den letzten Kick. Das schaffen wir jetzt auch noch!

Die Hütte ist erreicht. Und was für eine! Riesen Schlaflager, Veggie-Burger auf der Karte, Almdudler und Radler zum Trinken. Was will man mehr. Wir genießen den Sonnenuntergang auf der Terrasse und beenden den Abend mit einer Partie Yatze. Wir haben es geschafft. Ganz ohne Stress und Magenweh gehen wir nach 1020 Höhenmeter Aufstieg ins Bettchen.


Etappe 4: Spieljoch Bergstation bis Rastkogelhütte

Der Morgen in den Bergen ist und bleibt magisch. Wir Frühstücken wie die Kaiser und verpassen ganz knapp die erste Bahn nach unten. Mist! Heute haben wir ein Stück Bahn- und Busfahrt vor uns bevor wir weiterlaufen können. Wir fahren hinunter nach Maurach und mit Bus und Bahn weiter bis Fügen. Jetzt noch mit der Bahn hoch zum Spieljoch und weiter gehts.

Heute regnet es und ich bin froh über Regenhose und Rucksack-Regenüberzug. Allerdings bedeutet das auch dass die blasenlaufenden Wanderschuhe wieder an meine Füße müssen. Gut eingepackt laufen wir los. Es ist mystisch und fühlt sich an wie im Märchenwald. Wenn wir gleich einer Fee begegnen wäre ich keinesfalls überrascht.

Wir laufen zwischen den Tälern am Hang entlang. Durch Farnwälder und sogar durch eine Kuhherde.

Bei Hochfügen verlassen uns fast die Kräfte. Nach der Komoot-Planung der Route wäre diese Etappe hier zu Ende und wir könnten nach Hochfügen absteigen und dort übernachten. Nicht nach unserem eigenen Plan. Wir haben uns vorgenommen noch bis zur Rastkogelhütte weiterzulaufen. Nur noch 2 Stunden. 2 Stunden die sich aktuell wie ein schlechter Scherz anhören. Wer kam denn auf die Idee?

Wir sehen eine Hütte. Sie sieht leer aus, aber es könnte die Rastkogelhütte sein. Noch 300 Höhenmeter. Wieviel ist das? Kommt das hin? Alles Fragen hilft nichts. Wir müssen hoch und nachschauen. Mit der festen Überzeugung die Hütte schon im Blick zu haben laufen wir weiter. Wir sind oben und stellen fest: Das war sie nicht. Wie sich später rausstellte war unsere Berechnung falsch. Insgesamt lag die Hütte zwar 300 hm höher als wir, aber auf der ANDEREN Seite des Berges. War ja klar! Wir kämpfen uns den letzten Gipfel des Tages hoch und fallen uns vor Erleichterung in die Arme als wir nun endlich die richtige Hütte im Blick haben. Pünktlich zu unserer Ankunft kommt auch noch die Sonne zum Vorschein und wir erfahren: "In 15 Minuten gibt es Abendessen!" - Was für ein Empfang! Müde und glücklich über diesen schönen Tag lassen wir uns die Suppe und die selbstgemachten Nudeln mit Bärlauchpesto schmecken.




Etappe 5: Rastkogelhütte bis Melchboden

Der gestrige Tag war mein Angst-Tag. Angewiesen auf öffentliche Verkehrsmittel und anschließend noch 7 Stunden laufen. Ich hatte Bedenken dass wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit ankommen würden. Ich bin da eher pessimistisch, meine Freundin sehr optimistisch. Wie sich herausstellte haben wir einen sehr gut funktionierenden Mittelweg gefunden. Ich bin glücklich dass wir nun schon mehr als die Hälfte geschafft haben (inklusive der gestrigen). Wir laufen mal wieder bei Regen los. Vom Sonnenaufgang hat man nichts gesehen außer dass es eben hell wurde. Die Schuhe sind noch nass von gestern, aber nach 10 Minuten laufen sind meine Füße wieder schön warm.

Nach ca. 30 Minuten wartet meine Wanderpartnerin an einer Ecke und sieht angespannt in die Ferne und horcht. Jetzt höre ich es auch. Es sitzt auf einem Stein oben am Berg und klingt wie ein Moorhuhn, nur anders. Wir versuchen etwas zu erkennen. Gleich hinter uns kommen Mitwanderer, die ein Fernglas dabei haben. Was für ein Glück. Wir schauen alle 4 abwechselnd durch die Linse und rätseln. Ein Auerhahn?

Am Abend treffen wir Jäger und erfahren mehr: Ein Birkhahn. Im Gebirge beheimatet aber sehr selten anzutreffen. Wow.

Die heutige Etappe endet nach nur 1,5 Stunden. Wir hatten uns schon auf diese kurze Etappe als unseren "Pause-Tag" gefreut. Trotzdem ist es nun etwas merkwürdig schon knapp vor der Mittagszeit im Bus zur heutigen Hütte zu fahren.

Trotzdem geht es gleich mit Bus und Bahn bis zur Dominikushütte am Schlegeisspeicher. Da wir allerdings um 14 Uhr die Füße noch nicht stillhalten können, muss noch ein Abstecher geplant werden: 2 Stunden Aufstieg zur Olperer Hütte. Die wurde uns auf der Tour und auch vorher mehrmals empfohlen und wir waren bereits etwas enttäuscht diese nicht als Übernachtungshütte auserkoren zu haben.

Wir stellen also unsere Rucksäcke in der Dominkushütte ab, werden positivst überrascht von einem kostenlosen Wäscheservice (was ein Glück bei so einer Tour mit limitiertem Gepäck!!), und laufen direkt weiter.

Was für ein Gefühl ohne Rucksack unterwegs zu sein. Wir fühlen uns als hätten wir Flügel und sind in knapp 1,5 Stunden an der Hütte. Unterwegs zeigt sich uns ein magischer Blick auf den Schlegeisspeichersee weiter unten.

Kaum an der Wolkendecke angekommen stecken wir mitten im Nebel, doch die schöne Aussicht kann man sich ja auch hinträumen oder?

Pünktlich zum Abendessen sind wir wieder unten und lassen uns mit Kässpatzen und Radler verwöhnen. Bis spät in den Abend lachen und plaudern wir mit den Mitwanderern und einer Gruppe von Jägern, die zufällig in der gleichen Hütte gelandet ist wie wir.


Etappe 6: Dominikushütte am Schlegeisspeicher bis nach St. Jakob in Südtirol

Der gestrige Tag war kein Pause-Tag wie geplant, aber wunderschön. Wir sind mittlerweile so in unserer Wanderroutine angekommen, dass sich alles richtig anfühlt. Aufstehen, packen, frühstücken, Wanderschuhe an und los. Wir folgen ein Stück dem Speichersee und verlassen diesen dann wieder in Richtung Berge. Am Pfitscher Joch passieren wir die österreichisch-italienische Grenze.

Wir haben Italien erreicht und sind in Südtirol! Das feiern wir und genehmigen uns im Pfitscher Joch Haus gleich mal einen Apfelstrudel und eine heiße Schokolade. Wie schön!

Es geht nun in schnellen Schritten in Richtung Tal hinab und wir folgen dem Pfitscher Bach.

Tiefsinnige und schöne Gespräche begleiten uns bis wir fast an unserer Pension in St. Jakob vorbeigelaufen wären. Den ruhigen Nachmittag haben wir uns verdient. Unser Zimmer hat einen Balkon von dem aus wir alle langsam eintrudelnden Mitwanderer beobachten können.


Mittlerweile gibt es eine richtige Truppe, die man immer wieder auf der Strecke sieht. In St. Jakob gibt es so wenige Unterkünfte, dass wir sogar mit einigen in einer Pension untergekommen sind.

Abends treffen wir Stefano, der sich für seinen morgigen Trailrun ausruht und uns sehr kommunikativ von allen seinen Trailrun-Tipps und auch von all seinen Exfrauen erzählt. :)


Etappe 7: St. Jakob bis Sterzing zum Knödelfest

Es ist unglaublich. Der letzte Tag unserer Wanderung ist angebrochen. Irgendwie kann ich es kaum glauben, dass wir 7 Tage am Stück gewandert sind. Und auch wenn wir es mangels zusammenhängender Strecke nur widerwillig "Alpenüberquerung" nennen, sind wir irgendwie schon stolz nicht aufgegeben zu haben und 1 Woche lang zu Fuß unterwegs gewesen zu sein. Wir bewegen also unsere müden Glieder und blasenbesetzten Füße zur letzten Etappe bis nach Sterzing.

Wie wir diese Woche erfahren haben, ist zufällig heute das jährliche Knödelfest in Sterzing. Was für ein Glück! Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen.

Weiter geht es also am Pfitscher Bach entlang bis nach Sterzing. Das Wetter ist wechselhaft. Wir schwanken zwischen Regenjacke wegpacken und alles Regenzeug wieder auspacken für den nächsten Schauer. Am Ende kommen wir oberhalb von Sterzing an und haben eine schöne Aussicht auf die Stadt. Wo sind jetzt die Knödel?

Wir folgen der Musik, die uns direkt zum Stadtfest führt. Zwei Stunden sitzen wir auf einer Bank - überwältigt von so viel Trubel. So viele Menschen auf einmal. So laute Geräusche. Wir sind etwas überfordert, aber glücklich angekommen zu sein.

Einmal Spinatknödel, einmal Pilzknödel bitte. Und auch die Nachtisch-Knödel kann man sich doch nicht entgehen lassen!

Die letzten 200 Höhenmeter zur Pension schaffen wir knödel-beflügelt und freuen uns auf die morgige Heimfahrt. Der erste Tag seit 1 Woche ohne Wanderkleidung. Wird sie uns fehlen?


Wir fahren am nächsten Tag in 3 Stunden mit dem Bus zurück nach München. 3 Stunden vs. 7 Tage. Verrückt, welchen erweiterten Bewegungsradius wir durch unser Auto in der heutigen Zeit haben, oder?

Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt wann wir wieder die Wanderschuhe schnüren und uns zu Fuß auf weitere Abenteuer begeben...


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